Nicht gekennzeichnete Werbeformate bei Spiegel Online: Sündenfall oder „alles halb so wild“?
Kurz zur Ausgangslage: Spiegel Online (kurz: SPON) setzt – wie viele andere Portale auch – auf sogenannte Affiliate-Links, in diesem Fall von Amazon. Wird ein neues Buch von der Redaktion vorgestellt, so verlinkt SPON im oder bei dem Beitrag auf das passende Produkt im Amazon-Shop. Die Einbindung solcher Verweise ist kein netter Service, sondern ein Geschäftsmodell: Kauft der Leser das Buch, so erhält das verweisende Portal eine Provision. Als normalsterblicher Nutzer kann man Affiliate Links nicht von ganz „normalen“ Verweisen unterscheiden.
Um Missbrauch und verdeckter Schleichwerbung vorzubeugen, müssen in Deutschland Werbelinks eindeutig als „Anzeige“ gekennzeichnet werden, wenn eine finanzielle Gegenleistung erfolgt. Genau mit dieser Kennzeichnung hat es SPON bislang nicht sehr ernst genommen. Das Portal zeigt seinen Lesern also nicht eindeutig, wo der redaktionelle Teil aufhört und wo Werbung anfängt – das ist aus guten Gründen nicht erlaubt (Siehe den Pressekodex, dort Ziffer 7).
Ganz unabhängig davon stellt sich die Transparenz-Frage: Darf man von einem großen Medienhaus, das sich selbst als Hüter der Gerechtigkeit sieht, nicht eine sehr deutliche Kennzeichnung erwarten? Ich weiß, dass sich nicht wenige (selbst durchaus bekannte) Blogger genau einer solchen Kennzeichnung zu entziehen versuchen. Und dies mit teils haarspalterischen Argumenten, wie sie in diesem Beitrag genannt werden. (Der dortige Blogautor führt diese lediglich auf, es sind also nicht seine Argumente.)
Redaktionelle Buchempfehlung versus Werbung
Schauen wir uns die bisherige Vorgehensweise einmal an, anhand eines Beispiel-Artikels bei Spiegel Online. In diesem Fall – einer Buchbesprechung – findet sich ganz am Ende der folgenden Verweis zum besprochenen Werk:
Den so titulierten „Buchtipp“ aus der Redaktion kann man in der allseits bekannten Online-Buchhandlung aufrufen, über den Link „einfach und bequem direkt bei Amazon bestellen“. Das klingt wie eine neutrale Empfehlung, quasi eine Ergänzung zur Rezension. Oder versteckt sich doch mehr dahinter? Denn bei den Verweisen handelt es sich um Affiliate Links. (Wie man diese erkennen kann, dazu später mehr.)
Meines Erachtens täuscht eine solche Vorgehensweise die Leser, denn:
- Nicht Onlinemarketing-versierten Personen ist nicht bewusst, dass bei Kauf des Buchs eine finanzielle Gegenleistung erfolgt. Bei meinen Tests diesbezüglich zeigten sich alle „Kandidaten“ erstaunt: Da half auch das eingebundene Amazon-Logo nicht weiter.
- In manchen Bereichen – etwa innerhalb der Sidebar auf der Spiegel-Hauptseite – werden vergleichbare Formate sehr wohl als das gekennzeichnet, was sie sind: Als Anzeigen. Die Problematik sollte dem Verlag also bewusst sein. Auf den Unterseiten-Sidebars und unterhalb der Beiträge heißt es dann stets „Buchtipp“ statt „Anzeige“.
- Keineswegs werden nur Spiegel-Verlagsbücher – also Eigenproduktionen – auf diese Weise monetarisiert, denn dann hätte man von einer Grauzone sprechen können. Die fehlende Kennzeichnung zog sich bis vor kurzem durch sämtliche „Büchertipps“ von Werken aller Verlage.
Auch andere Bereiche bei Spiegel sind mit Affiliate-Links versehen, ohne die entsprechende Kennzeichnung. So beispielsweise das „Serviceangebote von SPIEGEL-ONLINE-Partnern“ unter -> Freizeit -> Bücher bestellen im Footer der Seite, oder die Bestseller-Listen (Nicht zu verwechseln mit dem Spiegel-Shop auf Amazon):
Hier soll das kleine Warenkorb-Symbol rechts neben jedem Buch darauf hinweisen, dass es sich um einen Shop und damit um ein kommerzielles Angebot handelt. Doch man muss diesen Warenkorb keinesweg nutzen, um das Buch zu bestellen. Ein Klick auf den Titel oder das Bild des Buchs reicht aus, um bei Amazon zu landen – über einen Affiliate-Link. Wird diese Kennzeichnung tatsächlich als solche wahrgenommen und verstanden?
Zunächst – bei Betrachtung einzelner Spiegel-Beiträge – dachte ich: „Da hat jemand in der Redaktion geschlafen und vergessen „Anzeige“ drüber zu schreiben“. Doch mit einer einfachen Google-Recherche fand ich immer mehr nicht als Werbung deklarierte Affiliate-Links bei SPON. Ich fragte via Twitter nach:
@GPSchmitz @SPIEGELONLINE Warum ist der Amazon Affiliate Link im Beitrag nicht als Anzeige markiert? #pressegesetz http://t.co/0IxDDbBmq2
— Michael Firnkes (@blogprofis) 5. März 2014
Keine Reaktion. Das war umso erstaunlicher, da sich die Redaktion von Spiegel Online immer wieder für die transparente Kennzeichnung jeglicher Werbeformate einsetzt. Unter anderem im Rahmen einer Debatte des Fachmagazins „Journalist“. Dort schrieb Rüdiger Ditz, Chefredakteur bei Spiegel Online, unter der Überschrift „Werbung muss erkennbar sein“:
Wir halten das Prinzip der scharfen Trennung von Werbung und redaktionellen Beiträgen für extrem wichtig.
Also hakte ich auch bei ihm nach:
Löblich: „Werbung muss als solche erkennbar sein“ @ditz_r Warum jedoch nicht klar markierte Affiliatelinks auf SPON? http://t.co/nKgEApeFIq
— Michael Firnkes (@blogprofis) 28. März 2014
Keine Reaktion. Blieb noch die Pressestelle von Spiegel Online. Irgendjemand musste sich doch dafür interessieren, dass SPON Wasser predigt und Wein trinkt? Via E-Mail fragte ich:
Warum ist die Anzeige zum Buch (ein sogenannter Amazon-Affiliate-Link) bei dem Beitrag xyz nicht korrekt als Anzeige gekennzeichnet, so wie es die Mediengesetze verlangen? Das gleiche Vorgehen ist mir auch bei anderen Beiträgen von Spiegel Online aufgefallen..
Zwei Tage später erhielt ich eine Antwort:
Die Anzeige ist aus unserer Sicht auch ohne ausdrücklichen Hinweis als solche zu erkennen. In rechtlicher Hinweis möchte ich ergänzen, dass wir in Einklang mit den Vorschriften des § 3 Absatz 5 Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) handeln. Darin sind die Ausnahmen der Kennzeichnungspflicht geregelt. Nach dieser Vorschrift muss eine Verlinkung auf Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen nicht als Werbung gekennzeichnet werden, wenn keine finanzielle Gegenleistung erfolgt.
Das gleiche Herausreden wie bei den Bloggern? Von einem Verlag wie Spiegel? Paragraphen statt Leserinteressen? Ich konnte es nicht glauben und fasste nach (Auszug aus meiner E-Mail):
Aber genau diese finanzielle Gegenleistung ist ja der Fall, durch das eingebaute Amazon-Tag „wwwspiegelde-21“ erfolgt eine Provisionierung bei Amazon? Können Sie dies bestätigen? Und das nicht nur bei Produkten aus Ihrem Eigenverlag, siehe beispielsweise in Artikel xyz den „Buchtipp“ in der Sidebar.
Ich frage mich, warum Sie an manchen Stellen sehr wohl „Anzeige“ über Amazon-Partnerlinks schreiben, an anderen nicht? … Die meisten Leser sind keine Onlinemarketing-Experten und haben noch nie etwas von Affiliate-Marketing gehört. Sie können den möglichen Interessenskonflikt also nicht erkennen und selbst beurteilen.
Das war das Ende meines Kontakts mit der Pressestelle. Eine Antwort konnte oder wollte man mir nicht geben.
„Werbung muss als solche erkennbar sein“ (SPON)
Mich damit abzufinden war keine Option. Also stellte ich eine Anfrage beim Deutschen Presserat. Dort kann man Werbeformate, die nicht als solche erkennbar sind, melden und beurteilen lassen. Dies allerdings nur „im Hinblick auf Online-Medien mit journalistisch-redaktionellen Inhalten, die von Printverlagen ins Netz gestellt werden, da bislang nur für solche Websites eine Zuständigkeit des Presserats besteht“ (Zitat eines Mitarbeiters).
Der Presserat hat das Verfahren – über das ich SPON informierte – angenommen, womit ich nicht unbedingt gerechnet hätte. Bislang hatte ich das Organ nach dem Hörensagen lediglich als zahmen Papiertiger wahrgenommen, der keine wirkliche Handlungsbefugnis hat. Das Verfahren läuft noch. Darin wurde unter anderem eine Stellungnahme von SPON in Aussicht gestellt, die bislang jedoch noch aussteht.
Spiegel Online hat mittlerweile die Kennzeichnung sämtlicher „Büchertipps“ geändert: In „Anzeigen“. Mutmaßlich auf das von mir angestoßene Verfahren hin. Andere Affiliate Links – beispielsweise die der Bestsellerlisten – warten nach wie vor auf einen entsprechenden Hinweis.
In der Zwischenzeit beschwerten sich auch andere Leser öffentlich über das ungewöhnliche Gebaren, jeweils ohne eine Reaktion seitens der Spiegel-Verlagsgruppe:
Ist das ein Affiliate-Link, @SPIEGELONLINE ? Wäre es nicht nett, „Anzeige“ statt „Buchtipp“ zu schreiben? pic.twitter.com/ljV5a9e5ET
— David Nießen (@davidniessen) 21. Juli 2013
Manche werden entgegnen: Was soll diese kleine Wortspielerei „Buchtipp“ oder „Anzeige“ ausmachen. Für mich ist es eine Grundsatzfrage: Wollen wir verdeckte Schleichwerbung in selbsternannten Qualitätsmedien zukünftig dulden (beziehungsweise erst gar nichts darüber wissen) oder nicht?
Dass die meisten Nutzer wohl auch das Wort „Anzeige“ überlesen, ist eine andere Problematik. Es kann meines Erachtens nicht als Entschuldigung dienen. Noch schlimmer: Nicht wenige Blogger reden sich heraus, mit der Aussage: „Die Großen machen das doch auch, warum ich also nicht“. Führende Onlinemedien sind sich ihrer Vorbildrolle in dieser Frage nicht bewusst.
Sind Nachrichten nur noch rein interessengesteuert?
Es geht nicht nur darum, dass die Verlage eine Provision erhalten, die für den Buchkäufer nicht ersichtlich ist. Es geht schlicht auch um die Frage: Wie schätze ich eine Buch- oder eine sonstige Produktrezension auf einer großen Nachrichtenseite ein, wenn ich weiß, dass sich der Verlag über derlei Berichterstattung refinanziert? Der Verlag macht sich selbst angreifbar:
- Warum wird das besprochene Buch/Produkt so überschwänglich gelobt?
- Nach welchen Kriterien werden die zu besprechenden Bücher/Produkte ausgewählt?
- Entscheidet die Qualität, das Leserinteresse oder doch nur der zu erwartende Umsatz aus den Affiliate Links?
- Handelt es sich demnach um eine „echte“ Rezension und Empfehlung, oder um reine Werbung zum Selbstzweck?
Diese Fragen werden sich kritische Leser zu Recht stellen. Denkt man diesen Ansatz konsequent weiter – denn es gibt ja noch weit mehr Formate für Schleichwerbung, wie der von Stefan Niggemeier aufgedeckte Lotto-Advertorial-Fauxpas von Spiegel Online zeigt – so lautet letztendlich die Frage: Sind die „Nachrichten“, die uns präsentiert werden, irgendwann nur noch interessengesteuert? Und wie weit ist es dann noch von der rein kommerziellen hin zur politisch oder anderweitig motivierten Manipulation?
Wie man Affiliate Links erkennen kann
Normalerweise können Affiliate Links nur von Experten als solche erkannt werden. Zu vielfältig sind die technischen Möglichkeiten der Einbindung. Zudem gibt es Methoden, die Verweise zu maskieren, also wie „normale“ Verweise aussehen zu lassen. Amazon Affiliate Links sind jedoch recht einfach zu erkennen. Sie enthalten innerhalb der URL (der Link-Adresse) ein Kürzel der Art tag=beliebigername-21, bei Spiegel Online etwa tag=wwwspiegelde-21.
Die Linkadresse wird im unteren Browserfenster angezeigt, wenn man mit der Maus über einen Verweis fährt (also noch nicht klickt). Am genannten Beispiel verdeutlicht sieht dies so aus:
Manchmal versteckt sich dieses Kürzel (in der Fachsprache „Tag“ genannt) jedoch innerhalb einer deutlich längeren URL, so dass man genau hinschauen muss. Alternativ hilft – nach erfolgtem Klick auf den Link – bei Amazon ein Blick in die Browserleiste ganz oben, ob in der dortigen Adresse das Tag enthalten ist.
Betrug am Leser
Es geht mir mit diesem Beitrag nicht um Paragraphen-Reiterei. Also nicht um ein „Das ist aber verboten“. Sondern um den Betrug am Leser. Denn nichts anderes geschieht meines Erachtens, wenn Nachrichtenportale, Onlinemagazine und Blogger auf versteckte oder nur unzureichend gekennzeichnete Werbeformate setzen. Schleichwerbung nimmt den weniger Webmarketing-versierten Lesern die Wahlmöglichkeit, um einen Beitrag bzw. die Beweggründe für diesen selbst einschätzen zu können. Und Schleichwerbung erschüttert letztendlich das Vertrauen in den Online-Journalismus und/oder die Blogosphäre.
Zudem fürchte ich, dass die (Online-) Verlage experimentieren werden: Wie weit können sie gehen, welchen Grad der Manipulation akzeptieren die Nutzer bzw. welchen Grad nehmen sie nicht wahr? Sogenannte Native Advertising-Formate loten genau das aus.
Jeder kann etwas tun gegen verdeckte Werbung. Es geht darum, bei den (unwissenden) Internetnutzern ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Aber auch bei Bloggern und Online-Redaktionen kann man nachhaken. Und sei es nur mit einem Tweet.
Titelbild: © Tanja Djordjevic
Grundsätzlich bin ich ganz bei Dir: Schleichwerbung ist furchtbar und gehört ausgerottet.
Affiliate Links grundsätzlich als Werbung zu bezeichnen und da einen Interessenskonflikt ausmachen zu wollen, finde ich in den meisten Situationen weit hergeholt.
Es gibt 2 Fälle, in denen Affiliate Links auftreten:
Fall 1, Ich schreibe meine Inhalte und ersetze anschließend alle Links, wo das möglich ist, durch Affiliate Links, evt. sogar automatisch durch ein entsprechendes Plugin.
Fall 2; Ich schreibe einen Artikel, um einen bestimmten Affiliate Link unterzubringen oder empfehle ein Produkt nur wegen dem Affiliate-Link.
Ich denke Du wirst zustimmen, dass es im Fall 1 keinen Interessenskonflikt gibt.
In Fall 2 sollte der Interessenskonflikt unbedingt gekennzeichnet werden.
Fall 2 halte ich persönlich für untragbar, vor allem wenn Affiliate Links auch noch durch lokales Shortening unkenntlich gemacht werden.
Ist ein anderes Thema und tut nix zur Sache, aber in der Praxis ist es scheissegal, was man macht. Die meisten Leser wissen nicht, was das heißt, wenn da „(Affiliate-Link)“ steht. Kannste gern testen 😉
@Florian: Ich finde nicht, dass die Medienanbieter (in diesem Fall Blogger) entscheiden sollten, wann es einen Interessenskonflikt gibt und wann nicht. Diese Einschätzung sollte beim Leser selbst liegen. Bei nicht gekennzeichneter Werbung hat er dazu keine Chance.
Nur einige meiner Gründe:
– Nichts für ungut, aber ich kenne dich und deine Beweggründe nicht (selbst wenn ich dir „Fall 1“ persönlich glaube). Du sagst mir, es handle sich um eine „echte“ Empfehlung. Das behaupten auch alle reinen Affiliate-Blogger von sich, die unter Fall 2 laufen.
– Das gerne genannte Argument „meine Leser kennen mich“ zieht m.E. ebenfalls nicht. Wenn du Geld mit deinem Blog verdienen möchtest und demnach professionell bloggst, wird ein Großteil deiner Leser aus Suchmaschinen oder den sozialen Netzwerken stammen.
– Wo willst du die Grenze ziehen? Wer sollte bei einer journalistisch betriebenen Onlinezeitung dann noch wissen, was neutral ist und was aus monetären Interessen heraus geschrieben? Aus guten Gründen möchte man dort keinerlei nicht gekennzeichnete Links haben. Warum sollten wir Blogger einen niedrigeren Standard ansetzen?
– Die fehlende Kennzeichnung ist vor allem jenen Bloggern gegenüber unfair, die jegliche Werbung als solche benennen. Dann wird diesen „Werblichkeit“ und „Käuflichkeit“ unterstellt, während jene mit Schleichwerbung als neutrale Instanz gelten, davonkommen und gar mehr verdienen? Das kann nicht sein.
– „Ich denke Du wirst zustimmen, dass es im Fall 1 keinen Interessenskonflikt gibt.“ Nein das tue ich nicht. Ich habe selbst lange genug rein vom Bloggen gelebt (gekennzeichnet). Ich für mich weiß, dass man im Zweifelsfall (Frage: Affiliate-Link oder nicht?) irgendwann dem monetären Aspekt den Vorzug gibt. Und sei es nur unterbewusst. Wenn du es schaffst, völlig über dem zu stehen, Respekt.
– „In Fall 2 sollte der Interessenskonflikt unbedingt gekennzeichnet werden.“ Gerade die werden es wohl nicht tun. Wer gibt schon gerne zu, dass er aus rein käuflichen Motiven heraus bloggt? Da hilft es nur, wenn alle anderen mit gutem Beispiel vorangehen.
Du müsstest die Verweise rein rechtlich auch nicht „Affiliate-Links“ nennen , sondern „Anzeige“ (ich schreibe das, weil viele Blogger nicht wissen, dass dies auch für Affiliate-Links gesetzlich vorgeschrieben ist). Auch die „Anzeige“ wird von vielen überlesen, ja. Aber ist das wirklich ein Argument? Dann könnten wir die Trennung zwischen Redaktion und Werbung doch gleich bei allen Medien weglassen. Dann wüsste man noch weniger, welcher Inhalt aus welchen Gründen heraus entstanden ist. Ich für meinen Teil möchte das nicht.
Was befürchtest du denn, wenn du Affiliate-Links kennzeichnest? Was wäre dein Nachteil? Dass sich deine Leser an der Werbung stören? Dann ist doch das „Weglassen“ keine Lösung. Es wäre ein Stück weit gar feige, wenn wir Blogger uns nicht der längst überfälligen Diskussion stellen.
Wenn Blogger Geld mit ihren Portalen verdienen wollen, dann müssen sie zu 100% transparent arbeiten. Sonst gibt es die Blogosphäre in ihrer ursprünglichen Form irgendwann nicht mehr. Meine Meinung. Der Vertrauensverlust durch die Leser wird ebenfalls zunehmen. Das müssen dann leider alle Blogger „ausbaden“.
Danke, dass du dich der Diskussion stellst (wir hatten diese zuvor via Twitter geführt). Das ist nicht selbstverständlich.
Bevor wir hier weitermachen, eine Zwischenfrage. Du sagst, es wäre für Affiliate Links gesetzlich vorgeschrieben, sie als Werbung zu kennzeichnen. Ich bin davon ausgegangen, dass das nicht der Fall ist, weil für die Empfehlung nicht bezahlt wird.
Ja was denn nun?
@Florian: Ja es ist verpflichtend. Du erhältst schließlich eine finanzielle Gegenleistung. AdSense etc. sind ja auch Anzeigen, obwohl du nicht für die „Empfehlung“ selbst bezahlt wirst.
Zur rechlichen Lage bzw. Pflicht siehe
https://twitter.com/solmecke/status/568144416684290049
Das gilt selbst dann, wenn du keinen Erfolg erzielst (was jedoch keinen Sinn macht, sonst würde man keine Affiliate Links einsetzen):
https://twitter.com/thsch/status/568519877293527040
Wenn das mit der Rechtslage so stimmt, dann wundere ich mich über die gängige Praxis um so mehr.
Um auf Deine Fragen zurückzukommen:
Ich befürchte rein gar nichts, beim Affiliate Link kennzeichnen. Ganz im Gegenteil, ich empfinde Affiliate Links als moralisch überlegen gegenüber Werbung, insbesondere Schleichwerbung. Referals sind deshalb neben Spenden die einzige Form von Monetarisierung, die ich einsetze.
Ehrlich gesagt war es mir einfach nur egal mit der Kennzeichnung. Ich hab’s am Anfang ein paar Mal gemacht und dann hat sich das verlaufen, wegen Mehraufwand und Gleichgültigkeit.
Es ist mir auch jetzt noch egal, obwohl Du mich überzeugt hast, dass die Kennzeichnung eine gute Sache ist. Es hat einfach keine Dringlichkeit aus mindestens 2 Gründen:
Ein Grund für die fehlende Dringlichkeit ist, dass es in der Praxis keinen Unterschied macht. 99% der Leute, die verstehen was Affiliate-Links sind, können auch ohne Kennzeichnung feststellen, ob es sich um Affiliate-Links handelt.
Das hast Du ja auch bei meinen Links so gemacht und so kam es zu unserer Diskussion. Affiliate Links zu maskieren halte ich deshalb für äußerst fragwürdig.
Ein zweiter Grund für die fehlende Dringlichkeit ist, dass es den Lesern nichts auszumachen scheint. Ganz im Gegenteil, ich wurde ohne Scheiss schon von Lesern darauf hingewiesen amazon Affiliate Links besser auf der Hauptseite zugänglich zu machen, damit sie nicht suchen müssen vor einem Einkauf.
Mir ist trotzdem bewusst, dass Affiliate-Programme keine wohltätigen Vereine sind und dass der Interessenskonflikt sehr wohl beabsichtigt ist.
Also, Butter bei die Fische. Wie macht man das Kennzeichnen in der Praxis ohne Mehraufwand? Was hältst Du von diesem Plugin:
http://geld-im-netz.de/plugin-und-code-affiliate-links-automatisch-kennzeichnen/
@Florian: Durch einen Serverumzug die Antwort leider erst verspätet.
„Wenn das mit der Rechtslage so stimmt, dann wundere ich mich über die gängige Praxis um so mehr“ -> Wo kein Kläger, da kein Richter. Es läuft ja bislang alles gut, trotz oder gerade durch die fehlende Kennzeichnung. Da spielt es natürlich eine Rolle, dass der normalsterbliche Nutzer nicht weiß, wie Affiliate Marketing funktioniert. Und dass er auch nicht jene (unzähligen) Negativbeispiele kennt, die du unter deinem Fall 2 beschrieben hast.
Egal zu welchem Thema man bei Google recherchiert: Nach wie vor stößt man in den vorderen Rängen auf reine Affiliate-Marketing-Schleudern, bei denen man sich nicht wundern muss, warum die „getesteten“ Produkte und Dienstleistungen so gut wegkommen. Oder warum die lukrativsten an erster Stelle genannt werden. Nicht selten schimpfen sich die Betreiber „Blogger“, das suggeriert Neutralität und Echtheit. Genauso sehe ich aber auch alle anderen in der Transparenz-Pflicht.
Man muss allerdings fairerweise dazusagen, dass sich das Gerücht sehr hartnäckig hält, Affiliate-Links müsste man nicht kennzeichnen. Selbst Affiliate-Netzwerke drücken sich um eine Antwort. Ich selbst sprach lange von einer „Grauzone“ (zu beidem: http://www.blogprofis.de/affiliate-und-werbelinks-kennzeichnen-oder-besser-nicht/516/). Andererseits finde ich, dass die rein rechtliche Frage nicht im Vordergrund steht. Sondern die Fairness gegenüber dem Leser, die unabhängig davon greift, ob eine Strafe oder ein Anwalt drohen. Sprich: Über das „Müssen“ zu diskutieren, das geht für mich persönlich am Thema vorbei.
Aber zu deiner konkreten Frage: Ich hatte meine Links manuell gekennzeichnet und im Fließtext einfach „Anzeigenlink“ davorgeschrieben. Auf Landingpages arbeitete ich mit grafischen Anzeigen-Hinweisen, aber das ist natürlich nicht sehr komfortabel zu administrieren. Die automatisierten Kennzeichnungs-Lösungen für WordPress, mit denen ich damals experimentierte, werden nicht mehr gepflegt. Das „Link Indication Plugin“ gehört leider dazu: Über zwei Jahre nicht aktualisiert, da wäre mir persönlich das Risiko zu groß, sich ein Sicherheitsleck einzufangen.
Es ist leider also gar nicht so einfach. Einen Workaround – sehr ähnlich wie „Link Indication“ – bietet jedoch http://www.eine-million-verdienen.de/affiliate-links-optimal-kennzeichnen/, damit ist eine „Sternchen“-Kennzeichnung mit erläuterndem Satz etwa am Ende der Seite möglich. Und – allerdings mit einer Kennzeichnung, die auf den kompletten Blogbeitrag bezogen ist – der recht neue Anlauf unter http://3tage.in/werbung-kennzeichnen-wordpress/.
Hier noch eine weitere Möglichkeit zur automatisierten Kennzeichnung von Werbelinks, für alle Webseiten die auf WordPress basieren: http://www.sir-apfelot.de/wordpress-werbelinks-automatisch-kennzeichnen-3076/
Hallo Michael,
vielen Dank für den interessanten Artikel & den Plugin-Tipp (in den Kommentaren)!
Ich halte es so, dass ich Affiliate-Links mit einem * kennzeichne. Leider geht mir das aber manchmal durch. Da ist das von Dir empfohlene Plugin (bzw. der Link zu Sir Apfelot) eine schöne Möglichkeit, mir ein wenig Arbeit abzunehmen und mich vor meiner eigenen Vergesslichkeit zu schützen 😉
Viele Grüße,
Michel
@Michel: Freut mich, wenn dir der Tipp weiterhilft! Und schön, dass du deine Werbelinks kennzeichnest 😉
Sehr interessanter Artikel und auch die Informationen in den Kommentaren hier.
Vor kurzen von ich auf einen Blog gestoßen, welcher seine Affiliate Links mit einem Sternchen * Kennzeichnet und diese dann im Footer mitten in der Übersicht als Affiliate Links preisgibt. Bisher wusste ich aber auch nicht, dass es eigentlich verpflichtend sein soll bei Affiliate Links. Die Variante gefiel mir aber ganz gut, da so kein größerer Mehraufwand nötig ist, als dem Link am Ende noch ein Sternchen hinzuzufügen und den Rest im Footer zu machen.
Allerdings bin ich bisher nicht davon ausgegangen, dass SPON auch mit Amazon Affiliate Links arbeitet…gerade wenn Bücher dann vorgestellt werden, um einfach die Umsatzzahlen zu steigern….kochen eben doch alle nur mit Wasser 😉
Danke für die Aufklärung die schöne Diskussion hier in den Kommentaren. Nun ist man wieder um einiges schlauer 🙂
Hi Michael!
Vielen Dank für diesen Blog, deine Bücher und diesen Beitrag.
Ich wußte bisher auch nichts von der Kennzeichnungspflicht. Und ich beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit dem Thema. Usus auf den reinen Affiliate Seiten ist ja, in den Footer einen Affiliate Hinweis zu schreiben und fertig. Reicht das aus (Abgesehen von der Impressumspflicht)?
Und ich finde deine Haltung zu Transparenz und objektivem Journalismus sehr schön. Dass ein „Großer“ wie SPON sich so verhält ist absolut zu hinterfragen. Als Blogger ist es ja auch unsere Aufgabe über ebensolche Finten aufzuklären. Toller Beitrag und danke für die Mitteilung.
@Alexander Hammerschmied: Danke für das Feedback. Was die Kennzeichnungspflicht anbelangt, muss ein Hinweis direkt bei der Werbung – also in diesem Fall beim Affiliate-Link – erfolgen. Manche lösen das über einen „Sternchentext“ oder ein entsprechendes Plugin (siehe die Empfehlungen in den voherigen Kommentaren). Ich habe früher einfach im Fließtext vor jedem Verweis „Anzeigenlink“ o.ä. hinzugefügt.
Die Konversion ging hierdurch übrigens nicht oder nur sehr wenig zurück, wie viele Blogger befürchten. Einige Leser scheinen die Kennzeichnung zu honorieren, die meisten werden sie schlicht überlesen. Dennoch ist alles ohne Kennzeichnung Betrug am Blog-Leser, so meine Meinung.
P.S.: Ob die Sternchen-Lösung ausreichend ist, dazu gibt es unterschiedliche Aussagen von Online-Rechtsanwälten. Ich kenne jedoch keinen Fall, in dem eine solche abgemahnt wurde. Allerdings auch keinen, in dem eine fehlende Kennzeichnung überhaupt beanstandet wurde. Wo kein Kläger, da kein Richter. Leider, in diesem Fall.
Hallo Michael,
Affiliate-Links sind meiner Meinung nach nichts ungewöhnliches mehr, denn ein Großteil der Websites und Blogs refinanzieren sich genau darüber. Und das ist auch im Interesse der Firmen deren Produkte beworben werden (was gibt es besseres als hunderte freiberufliche Mitarbeiter, die nur bezahlt werden, wenn es zu einer Conversion kommt). Ich sehe es wie Du, dass die Conversion mit einem expliziten erwähnen der Affiliate-Verlinkung nicht unbedingt negativ beeinflusst wird. Am Ende ist „Content“ der „King“. Denn ohne gute Inhalte kommen keine Besucher. Ich persönlich finde es garnicht so schlimm, wenn ich über einen Affiliate-Link auf eine passende Website weitergeleitet werde, so lange mir dadurch keine Nachteile entstehen. Und wenn wie eingangs geschrieben diese immer größer werdende anzahl an Websites ihre Links kennzeichnen müsste, dann wären bald nur noch Stars & Sternchen zu sehen 😉
@Alex: Ich als Verbraucher würde gerne selbst mündig sein, entscheiden zu können, ob für mich ein Interessenskonflikt vorliegt oder nicht. Und das können Laien nicht, denn sie sehen schlicht nicht, dass Geld fließt.
„Wenn diese immer größer werdende Anzahl an Websites ihre Links kennzeichnen müssten, dann wären bald nur noch Stars & Sternchen zu sehen“
Das wäre prima. Vielleicht würden sich dann manche (Blog-) Leser mehr Gedanken darüber machen, wie sich all der angeblich „kostenlose“ Content finanziert. Vielleicht begegnen mir aber auch einfach zu viele Beispiele, in denen „Blogger“ irgendwelchen Unfug an den Mann oder die Frau bringen wollen, getarnt als persönliche Empfehlung.
@Alex Dein Problem als Besucher einer Affiliate-Website besteht darin (Michael hat es schon gesagt), dass du gar nicht weisst, ob dir ein Nachteil entsteht, weil dir die weiterleitende Website ja gar nicht verrät, dass es sich um kommerziell beeinflusste Inhalte handelt.
Die Website gaukelt dir einfach informative, „gute“ Inhalte vor; ob die wirklich gut für dich sind, oder lediglich gut im Sinne der Person, die die Affiliate-Provisionen einsteckt, kannst du nicht mal erahnen.
Wenn das für dich harmlos klingt, magst du es vielleicht mal so herum betrachten:
Als Besucher*in der Website wird dir die Information vorenthalten, dass es einen kommerziellen Faktor in der Gleichung gibt. Damit wird dir die freie Wahl genommen, die Inhalte nach deinen eigenen Wertmaßstäben zu beurteilen; was du nicht weisst, kann dich gar nicht erst „heiss“ machen (im Sinne einer möglicherweise anderen Bewertung der Inhalte).
Einem Menschen die freie Wahl über das eigene Verhalten zu nehmen, bedeutet in der Regel, diesen Menschen einem Zwang (physisch), oder einer Täuschung (intellektuell) auszusetzen.
Zwang und Täuschung sind die zwei möglichen Erscheinungsformen eines Vorgangs, den wir gemeinhin als „Gewalt“ bezeichnen. Wer es nicht ganz so streng sehen möchte, sagt dazu „Manipulation“, und die Affiliate-Leute nennen es eben „Konversionsoptimierung“ – letztlich ändert das Label nichts an der Tatsache, dass Menschen über den vollständigen Kontext einer Information getäuscht werden.
Passend dazu die Diskussion unter https://twitter.com/MichaelFirnkes/status/809104608291393536 Mobilegeeks.de hat hier nach einigem Hin und Her vorbildlich reagiert.
[…] In diesem Zusammenhang versuchte Michael Firnkes über Twitter bei spiegel.de nachzufragen. Seine Zusammenfassung kannst du hier lesen. […]