Fake News? Fake Communities!
Ich lese schon lange keine Kommentarspalten in Online-Nachrichtenmedien mehr. Ihre Einseitigkeit und ihr Hass regen mich zu sehr auf. Wie ich mittlerweile weiß, bin ich damit nicht alleine. Das ist ein Problem. Was löscht die Stimmen der Vernunft aus? Ganz einfach: Sie kapitulieren vor einer Fake-Sturmtruppe, die mit mehr als unfairen Mitteln kämpft.
Denn was im Netz abläuft, liefert längst ein völlig verzerrtes Bild der Öffentlichkeit:
- Bei vielen Beiträgen postet nur noch eine Seite, es findet also keine Diskussion statt. Dabei tönen vor allem jene, die sich gegenseitig an Lautstärke und Menschenverachtung überbieten. Andere wenden sich angewidert ab.
- Viel schlimmer: Diese laute Seite hat kein Problem damit, unzählige gefälschte Accounts als Verstärker zu nutzen. So werden aus einer einzelnen extremen Meldung – gegen die man früher vielleicht noch angekommen wäre – sehr schnell gefühlt 10, 20, 30.. Stimmen. Das nennt man künstliche Reichweite, oder treffender Fake-Meinung.
- Durch konzertiertes Verabreden zu Wut-Postings potenziert sich dieser Effekt nochmals. Community-Manager – die bei den Onlinemedien die Ausputzer spielen müssen – berichten davon, dass die Hatz bei bestimmten Themen gezielt angestoßen wird, und schon Sekunden nach der Veröffentlichung eines neuen Beitrags beginnt. Die Hater operieren Keyword-optimiert, teils mit vorgefertigten Schablonen, das Lesen wir da zur Nebensache.
In diesem lesenswerten Beitrag der t3n sind die geschilderten Mechanismen noch detaillierter beschrieben.
Kommentare abschalten?
„Dann schaltet die Kommentare doch lieber ab“, lautet immer öfters meine persönliche Reaktion. Oder, wie es der Leiter Community-Management beim Tagesspiegel Atila Altun im t3n-Beitrag treffend formuliert:
Sich länger mit Hassbotschaften zu beschäftigen ist Verschwendung von Lebenszeit.
Altun und viele andere geben nicht auf, sie stellen sich dem Hass. Tag für Tag. Bemerkenswert. Ich spreche ganz bewusst von Hass, denn „Wut“ kann man das längst nicht mehr nennen, was da draussen passiert.
Mir ist bewusst, dass es keineswegs vernünftig ist, zu kapitulieren. Doch gegen die geballte Macht der Hater-Communities haben wir keine Chance. Eben weil sie mit manipulativen Methoden arbeiten, und dadurch ihre Schlagkraft verhundertfachen. Ich persönlich bin auch skeptisch, was die Fake-News-Erkennungs-Algorithmen anbelangt, wie sie Facebook & Co. derzeit entwickeln. Das Katz-und-Maus-Spiel werden stets jene gewinnen, die naturgemäß keine Skrupel haben, mit Lügen und Vertuschung zu arbeiten.
Hoffentlich geht es am Ende nicht so aus:
ich kann es mir nur so erklären. pic.twitter.com/r7E3x2y9n5
— katjaberlin (@katjaberlin) 11. Dezember 2016
Hinweis: Passend zum Thema kann ich das Buch Der entfesselte Skandal von Bernhard Pörksen und Hanne Detel empfehlen. Auch mein Buch Das gekaufte Web geht näher auf die Möglichkeiten politischer Manipulation im Netz ein.
Beitragsbild: Massimo Mancini, Unsplash, CC0
Sehr guter Beitrag. Ich sehe das im Prinzip genauso wie du. Schlimm ist es wenn man aus Freunden und Bekanntenkreise mittlerweile dann diese Informationen auf den Tisch vorgelegt bekommt, fälschlicherweise genutzt als Argumente sollen diese dann dienen als Grundlage für Diskussionen die mittlerweile in eine völlig falsche Richtung gehen. Hinzu kommt dann noch die Ignoranz derer, die sich sicher sind nicht mit Lügen sondern mit angeblichem Wissen hausieren zu gehen, denn schließlich steht es ja für alle im Internet, also muss ja was wahres dran sein….
Was kann man tun? Es ertragen. Links rein, rechts raus.
Viele Grüße
Stefan
@Stefan: Ja das ist mir selbst auch schon aufgefallen. Man erwischt sich schon selbst, bei manchen Fake-News und -Kommentaren zu denken „vielleicht ist da ja doch etwas dran?“. Schleichendes Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhang.
Gute Ergänzung zum Thema: „Follower, Facebook-Likes, Youtube-Views und vieles mehr kann man sich im Netz für kleines Geld kaufen“ http://www.tagesschau.de/inland/fake-news-politik-101.html
Ich hatte kürzlich folgende Situation: Treffe guten Freund, länger nicht gesehen, Sprache kommt auf US-Wahl, er sagt er sei froh über deren Ausgang. Wir versuchen kurz, drüber zu reden, reden aber komplett aneinander vorbei. Er in seiner Realität, ich in meiner, cognitive bias auf beiden Seiten. Also lassen wir es, trinken ein Bier, reden über andere Sachen, spielen Billard.
Keine Ahnung, wie ich mit solchen Situationen in Zukunft umgehen soll. Mein eigenes „Wissen“ ist, was Tagespolitik angeht, mehr als begrenzt. Ich habe keine Energie, mich mit den Details des politischen Weltgeschehens so fundiert auseinanderzusetzen, dass ich in irgendeiner Weise irgendeine „Wahrheit“ für mich beanspruchen, oder gar argumentativ belegen und somit „Fake News“ als solche entlarven könnte.
Kurz, ich „glaube“, zu den Guten zu gehören, und das glaubt mein guter Freund von sich genauso. Und deswegen ist da jetzt diese Unsicherheit zwischen uns, weil er einen Typen für die bessere Wahl hält, von dem ich überzeugt bin, dass er sowas wie der Hitler des 21. Jahrhunderts sein könnte. Bin ziemlich ratlos.
@Caspar: Danke für deinen persönlichen und ehrlichen Einblick. Diese Gefahr oder vielleicht auch Schere im Kopf betrifft uns natürlich alle. Was ist wahr, was falsch? Wer kann von sich behaupten, „richtig“ und umfassend informiert zu sein?
Mit meinem Beitrag beziehe ich mich vor allem auf jene, die ganz bewusst Informationen streuen, die sie nicht recherchiert oder gar frei erfunden haben, um damit Geld zu verdienen (siehe die „Mazedonien-Masche“ https://www.ard-wien.de/2016/12/13/mazedonien-reich-werden-mit-fake-news/). Oder um die öffentliche Meinung gezielt in eine Richtung zu lenken, die nicht den Tatsachen entspricht (siehe die Beispiele auf http://hoaxmap.org/). Wenn damit Hass auf andere Menschen geschürt wird, ist dies besonders perfide (Das sehe ich unbestreitbar als „gut“ im Sinne der Gemeinschaft an: Keinen solchen Hass zu schüren oder ihm entgegenzuwirken, also menschenliebend statt menschenverachtend zu agieren).
Natürlich gab es schon immer Gerüchte und das, was man Propaganda nennt. Im Internet gewinnen diese aber eine ganz eigene Dynamik. Ich wollte genau darüber demnächst einmal bloggen, ich hoffe, ich schaffe es.
Wenn man einmal schwarz und weiß beiseite lässt, und akzeptiert, dass es in vielen Dingen nicht die eine richtige Meinung geben kann, habe ich dennoch das Gefühl, dass Diskussionen radikaler werden. In allen Bereichen. Und dass sie durch diese Ausschläge weiter weg denn je von der einenden und auch Wahrheits-annähernden Funktion dessen sind, was man Diskurs nennt. Gleichzeitig resignieren vermittelnde oder auch liberale Stimmen, während die „Schreihälse“ ihre Lautstärke mit unlauteren Mitteln noch erhöhen. Gefakte Profile beispielsweise, um einer Meinung mehr Gewicht zu verleihen und falsche Mehrheiten vorzugaukeln, sind für mich ganz klar „falsch“. Andererseits gab es auch das bereits früher, in ähnlicher Form. Nur eben wieder nicht in der aktuellen Dynamik.
Ich bin wie du ratlos. Und merke nur, dass ich mich angesichts dieser Ratlosigkeit mehr und mehr aus öffentlichen Diskussionen zurückziehe. Dann räumen wir jedoch das Feld zugunsten einseitiger Stimmungsbilder. Was tun? Ich weiß es auch nicht. Zumindest diskutieren wir darüber. Aber natürlich auch das nur in unserer „Bubble“.
@Michael
Absolut. „Don’t read the comments“ ist ja schon länger ein geflügeltes Wort, aber vielleicht führt dieses Fake-Ding ja sogar dazu, dass es in Zukunft immer weniger offene Kommentarspalten gibt? Ich überlege es mir in meinem Blog mittlerweile jedenfalls immer zweimal, ob ich die Kommentare offen lasse.
Danke für den tollen Artikel und deine ausführliche Antwort!
Danke dir 😉 Ja bei Blogs ist es besonders schade. Denn ohne Kommentarfunktion sind sie keine Blogs mehr. Aber ich kann gut verstehen, wenn man sich auf diese Weise vor Trollen schützt. Würde ich auch machen, mich haben sie zum Glück noch nicht entdeckt..
Interessanter Beitrag, zumal es mit Hasskommentaren und leider auch mit Falschinformationen gerade in der Vergangenheit ja ausgeufert ist. Leider wird sich da nach meiner Einschätzung auch in naher Zukunft gewiss nichts daran ändern. Und Kommentarfunktionen gerade in einem Blog abschalten?? Das halte ich für komplett absurd, da man dem Blog in diesem Fall die Kernfunktion nehmen würde.
Ein interessanter Beitrag vor allem da er VOR der Wahl Trumps veröffentlicht wurde. Das heißt das riesige Thema der Fake News wurde erst später durch die Medien gezogen.
Ein Blog ohne Kommentarfunktion macht für mich keinen Sinn. Ich kann aber selbst aus Erfahrung sagen – ich habe ca. 400 genehmigte Kommentare und ziemlich genau 10.000 Spamkommentare. Akismet und das Cloudflare CDN filtern das meiste von selbst.
Hallo, genauso sehe ich das auch und finde die Wahrheit sehr bitter. Es kommentieren nur sehr wenige die sich für den Inhalt des Beitrages interessieren. Diese Menschen wären aber genau diejenigen, die Mehrwert zu einem Thema bieten könnten. Das Abschalten von Kommentaren finde ich trotzdem nicht so sinnvoll. Lieber dann die Kommentare gar nicht erst freigeben. Letztendlich lebt ein aktueller Blog von Kommentaren und sendet positive Signale an die Suchmaschine. So bleibt das Thema in Augen von Google interessant. Bleibt ein Beitrag unverändert verliert es mit der Zeit an Sichtbarkeit in den Suchergebnissen. Daher finde ich die Kommentarfunktion extrem wichtig für ein Blog.
Ich glaube, dass die Fake-Thematik ein übergreifendes Problem darstellt. Heutzutage weiß bezogen auf Posts bei Facebook und Twitter Niemand, ob dies die Wahrheit ist, oder nicht. Es werden Videos und Bilder manipuliert, damit vor allem politische Wünsche für diejenigen in Erfüllung gehen.
Was war es doch für ein Segen, als diese Menschen lediglich den Stammtisch in der Kneipe für die Verbreitung ihres Blödsinns nutzen konnten.