Und meist werde ich bestätigt. Gefühlt 8 von 10 „privaten“ Blogs liefern mir geistigen Unfug, und dieses Wort ist noch milde gewählt. Warum machen sich Menschen die Mühe, massenhaft Ansammlungen nutzloser Tipps bei Google zu platzieren? Ganz einfach. Weil sich damit Geld verdienen lässt.
Der nette Servicelink
All diese „Blogbeiträge“ sind mit netten Servicelinks zu Amazon und anderen Unternehmen garniert. Verweise, die natürlich nicht als das gekennzeichnet sind, um was es sich in Wirklichkeit handelt: Um Werbung. Das funktioniert so: Je mehr Dumme diese Links klicken, umso mehr freut sich das Bankkonto der „Blogger“. Diese werden direkt für das Unterbringen der Links bezahlt (Link-Kauf), oder erhalten eine Provision für jede durch den Link erfolgte Transaktion (In der Fachsprache Affiliate Marketing genannt.)
Davon kann man gut leben. Man muss allerdings bereit sein, seine Blogger-Seele zu verkaufen. Indem man irgendwelchen Kram an den Mann oder die Frau bringt, getarnt als persönliche Empfehlung. Nun mag es an meinem jeweiligen Suchmuster liegen, oder aber an meiner Berufskrankheit: Ich rieche die Trojanischen Pferde unter den Blogs meilenweit gegen den Wind. Doch sie nehmen eindeutig überhand, wohin man auch schaut in der Blogosphäre, die es so längst nicht mehr gibt.
Und sie sind gut & liebevoll getarnt. Da wären beispielsweise
- Der Finanzblogger, der anscheinend diverse Girokonten bei rund 50 verschiedenen Instituten besitzt. Zumindest kann er sie alle aus eigener Erfahrung aufs Wärmste empfehlen. Dass er bis zu 100 Euro je Lead erhält, verschweigt er ebenso, wie die Tatsache, dass einige seiner gelobten Kontomodelle von Verbraucherschützern und geprellten Kunden abgemahnt wurden.
- Viele (nicht alle) Reiseblogger mit ihren beliebten „Was muss mit in den Urlaub“-Listen. Meistens gespickt mit versteckten Affiliate-Links, die zu den immergleichen Top-Sellern bei Amazon führen.
- Der Beauty- (oder Tech- oder Garten- oder was auch immer) Blog, der täglich Dutzende neue Produkte „persönlich“ testet. Seltsamerweise immer nur die, für die es eine möglichst hohe Vergütung gibt.
Diese Liste ließe sich beliebig fortführen. Um es klar zu sagen: Wenn wir Schleichwerbung akzeptieren, dann brauchen wir keine Blogs mehr. Denn dafür sind Instagram, YouTube & Co. deutlich besser geeignet.
Wenn wir Schleichwerbung akzeptieren, dann brauchen wir keine Blogs mehr. Das können Instagram & Co. besser.
Geht mich nix an?
Versteht mich nicht falsch. Es gibt nach wie vor wunderbare Blogs da draußen, die fair arbeiten. Was interessieren mich also die Content-Geld-Maschinen? Soll doch jeder nach seiner Façon selig werden. Doch so einfach ist es leider nicht. Denn von Außenstehenden werden wir als Einheit wahrgenommen. Sprich: Wir Blogger verspielen gerade unser letztes Quäntchen an gutem Ruf, das wir noch besitzen. Was für ein Pfund haben wir Blogger, außer unsere Integrität und unsere Unabhängigkeit, im Kampf ums überhaupt-noch-wahrgenommen-werden?
Immer wieder einmal schicken mir Nachwuchs-Blogger und Studierende ihre URLs, ich solle mir den neuen Blog doch einmal anschauen. Noch bevor die erste Blog-Zeile überhaupt geschrieben ist, drehen sich die E-Mails meist um Fragen wie „Wie kann ich damit Geld verdienen?“. Ob die Inhalte überhaupt für irgend jemanden relevant und spannend sind, was den Blog als solchen ausmacht, was seine Mission ist (nicht in $ und € bemessen), was ihn von den anderen Millionen Webseiten unterscheidet, oder warum sich der/die BloggerIn bemüßigt fühlt, ausgerechnet zu diesem Thema zu bloggen? Mit derlei Nebensächlichkeiten scheint sich nur noch eine Minderheit zu befassen.
Unkenrufe
Unkenrufe schallen, Blogs hätten ihren Zenit längst überschritten. Social sei das neue Blog. Wenn ich mir die öder werdende Landschaft im Netz anschaue, haben sie vielleicht Recht.
P.S.: Ich habe absolut nichts dagegen, wenn Blogger Geld verdienen. Ich als Verbraucher würde nur gerne selbst mündig sein, entscheiden zu können, ob für mich ein Interessenskonflikt vorliegt oder nicht. Ob es sich also um einen „echten“ Blogbeitrag handelt, oder um einen kuratierten Werbekatalog. Und diese Entscheidung ist für Laien – also für Blogleser – nicht möglich. Denn sie sehen schlicht nicht, wenn im Hintergrund Geld fließt (Text geklaut von meinem Kommentar hier.)
Oder, wie es mein geschätzter Blogger-Kollege und Freund Caspar @glueckpress in einem lesenswerten Statement hier formuliert:
Als Besucher*in der Website wird dir die Information vorenthalten, dass es einen kommerziellen Faktor in der Gleichung gibt. Damit wird dir die freie Wahl genommen, die Inhalte nach deinen eigenen Wertmaßstäben zu beurteilen.
Disclaimer: Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nur noch Positiveres zu Bloggen, und nicht mehr zu schimpfen. Vorsatz verletzt. Rants sind nicht wirklich mein Ding, die Zeit ist zu schade dafür. Aber manchmal muss es raus. Und: Ich bin nicht auf alles stolz, was ich in meinem mittlerweile 10jährigen Bloggerleben bereits gemacht habe. Aber wir „alten“ Blogger hatten wenigstens den Anstand, Werbung dranzuschreiben, wo Werbung drin ist. Nun denn, die Kommentare sind offen.
Bildquelle: © Elizabeth Lies, Unsplash, CC0
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