1. Mangelhafte Ausstattung
Geschätzt 95 Prozent der Content ManagerInnen, die ich begleite, klagen über fehlende Ressourcen. Sprich: Zu wenig Budget und/oder Mitarbeiter für das Thema. Natürlich ist es die Aufgabe des oder der Content StrategIn, hier Abhilfe zu schaffen. Gelingt dies nicht, dann kann es hierfür nur drei Gründe geben:
- Die Rolle Content Stratege existiert nicht
- Sie existiert, macht aber ihren Job nicht richtig/wird im Unternehmen nicht akzeptiert
- In der Management-Ebene gibt es kein Verständnis für Content und für Online, wie man es in der Post-Keyword-Stuffing-Ära fährt
Persönlich habe ich dieses Dilemma nie verstanden, zumal es von den Unternehmen selbst verursacht wird. Zu Print-Zeiten steckte man Millionen-Budgets in Dinge, deren Erfolg sich nicht bemessen ließ – ohne mit der Wimper zu zucken.
Heute müssen dieselben Marketingabteilungen um einen Bruchteil dieser Kosten betteln, wenn Onlineinhalte erstellt werden sollen, die (richtig gemacht) 1000 Mal zielgerichteter sind. Dahinter steckt Missverständnis Nummer Zwei:
2. Content Marketing ist kein billiges Marketing
Content als Billigware. 10 Cent pro Wort. Bloggen in zwei Stunden. Social Posting in 10 Minuten. Kann man machen, nützt nur nichts. Was dabei verloren geht:
- Die inhaltliche Recherche, um einem Thema fachlich wirklich gerecht zu werden
- Die Netzrecherche: Was gibt es da draußen schon zum Thema? Wie finde ich einen Aufhänger, der noch nicht ausgelutscht ist?
- Die Suche nach geeigneten Köpfen, um das Thema zu repräsentieren, intern oder extern (dazu gleich mehr)
- SEO: Welche Keywords sind schon wie besetzt, wo kann ich in die Nische gehen, wonach recherchieren Google-Nutzer und die Besucher der Webseite
- Inhaltliche Aufbereitung des Contents je Kanal
- Individuelles Layout, Grafiken, Verlinkungen, Content-Boxen, Call to Actions je Beitrag
- Seeding: Noch einmal – und je sozialem Netzwerk einzeln vertieft – die gleiche Recherche in Richtung „was gibt es noch nicht“ sowie SEO
Wenn ich für ein Unternehmen schreibe, dann brauche ich im Durchschnitt bis zu zwei Tage für einen Blogbeitrag. Nichts mehr mit „in einer halben Stunde runterschreiben“. Nachdem ich eine Zeit lang Strichlisten für jeden einzelnen Task machte, weiß ich heute, warum diese zwei Tage gerechtfertigt sind. Und warum der teure Content dann auch wirkt.
3. Keine Köpfe sichtbar
Wenn man in Blogs die Autorenbox ab- oder anklemmt (A/B-Test), dann gehen die Erfolgszahlen signifikant nach unten bzw. oben. Und dennoch kommunizieren unglaublich viele Firmen nach wie vor als NoName, „Redaktion“, „H.K.“, „Gastautor“ oder gleich ganz ohne sichtbare Mitarbeiter. Wie soll da authentischer Content funktionieren? Deine Leser wollen wissen, wer ihnen Inhalte und Meinung vorsetzt. Nicht nur in klassischen Content-Strecken, sondern auch auf Produktseiten, auf „statischen“ Firmenseiten, im Shop, Newsletter, Social Media & Co.
Zwei Einwände höre ich immer wieder zu diesem Thema: „Unsere Mitarbeiter wollen nicht mit Köpfen nach draussen“ – dann sind es die falschen Protagonisten für Online. „Wir wollen das nicht. Was, wenn der/die MitarbeiterIn geht?“. Da fällt mir nichts mehr ein. Eine typisch „deutsche“ Angst. Klar sollte man sich vertraglich absichern lassen, dass man weiterhin mit den Inhalten arbeiten darf. Aber ansonsten: Schickt euren KollegInnen einen netten Blogbeitrag hinterher. Bedankt euch für ihre Arbeit, und wünscht ihnen viel Erfolg beim neuen Job. Inklusive Name des Unternehmens und Link, wenn es passt. Eine Content Kooperation mehr.
4. Fehlende Zeitrechnung
Dein Schreibtisch als Content Verantwortliche(r) quillt über? Wie lange brauchst du im Durchschnitt für einen Blogbeitrag (siehe Punkt 2), für eine Landingpage, ein Video, einen Insta-Post, deinen Podcast etc.? Und warum? Du weißt es nicht? Dann wird es Zeit, die Stoppuhr herauszuholen. Wir alle hassen den Satz vom Management „Es kann doch nicht so schwer sein, auf Facebook zu posten“. Ersetze FB wahlweise durch Blog, Twitter, Pinterest oder einen beliebigen anderen Kanal. Doch ganz ehrlich: Wir verschulden diesen Satz selbst. Weil wir keine konkreten (Zeit-) Argumente haben.
Mach eine Milchmädchenrechnung auf. Führe Strichlisten: So lange für die Recherche, so lange für Abstimmungen mit der Fachabteilung, Legal Check, Bildmaterial raussuchen, Bildbearbeitung, Google Analytics, SEO Tool, h1 und h2s planen, Metadaten, Keywords, Interviewpartner, Gastbeiträge, Freigabeschleifen, Herumschlagen mit dem CMS, Verlinkungen abstimmen, Redaktionsplan, Redaktionsmeetings, Aktualisieren von Inhalten, Social Seeding, Social Texten, Social Keywords, Social und Blog Kommentare zu jedem Beitrag beantworten und und und.
Erst dann kannst du anstehende Content-Projekte als das benennen, was sie unter den gegebenen Bedingungen oft sind: im Zeitrahmen unrealistisch. Um dann an Agenturen outzusourcen. Oder noch viel besser: Um dein Content Team auf eine realistische Größe aufzustocken, inklusive zielführender Aufgabenteilung.
5. Ohne Erfolgsmessung geht es nicht!
Einserseits klagen Content ManagerInnen über zu wenig Budget, andererseits berechnen die wenigsten Content Abteilungen fundiert, ob sich das Spiel überhaupt lohnt. Ich bin in meinen Seminaren und in Unternehmen vor Ort immer wieder aufs Neue entsetzt darüber, wie selten der Erfolg gemessen wird. „Google Analytics dürfen wir nicht, wegen DSGVO“ ist da noch eine der harmlosesten Ausreden.
Klar lebt Content Marketing unter anderem von Spontanität. Dein Unternehmen hat 10 Revisionsschleifen, die Geschäftsführung steht dauernd an deinem Schreibtisch, darüber und darüber darfst du nicht schreiben, man redet in deine H1 hinein oder gibt dir die Keyword-Dichten vor? Ohne dass du all dies ändern kannst? Dann such dir einen neuen Arbeitgeber. Sich absichtlich nicht in die Karten schauen zu lassen, ist dennoch fahrlässig. Auch Management-Abteilungen laufen in Content Marketing Seminare. Ich hoffe, sie lernen zwei Dinge daraus: Dass Content Marketing kein Blindflug ist. Und dass es sich lohnt, Content Ziele zu erarbeiten. An denen soll und muss sich jeder Content Marketer messen lassen. Das geht auch so, dass der Spaß am Job nicht verloren geht.
6. Ohne Meinung geht es ebenfalls nicht
Neben „Persönlichkeit“ ist „Mut“ eines der wichtigsten Erfolgskriterien für Content. Langweilige, nichtssagende Inhalte gibt es an jeder Online-Ecke. Die meisten Corporate Blogs scheitern (neben dem Ressourcen-Thema) übrigens genau daran.
Da draußen geht ein Thema durch die Medien, das eure Kunden und Branche bewegen? Dann müsst ihr Stellung beziehen! Du bzw. euer Unternehmen hat keine spezifische Meinung? Dann fehlt auch die Motivation, überhaupt zu schreiben. Authentizität lässt sich zum Glück nicht nachahmen. Ebensowenig, wie sich eine Unternehmenskultur aus dem Hut zaubern lässt. Überspitzt gesagt: Ein Management ohne Rückgrat sollte nicht über eine Content Strategie nachdenken. Sie wird keine finden. Ansonsten hat meine geschätzte Kollegin Meike Leopold sehr weise Worte hierzu gefunden:
7. Keine offene Unternehmenskultur
Dieser Punkt geht in eine ganz ähnliche Richtung. Das Unternehmen, für das du schreibst oder filmst, ist von Geheimnissen geprägt? Von politischen Spielchen oder Stille-Post-Botschaften? Expertise darf nicht nach außen dringen, weil die Chinesen lauern? Hierarchisch wird jegliche Unternehmensmeinung exakt vorgegeben? Man ist der Meinung, sich in einer konservativen Branche zu bewegen, die nur konservativen Output vertrage?
Für diese Firmen habe ich eine klare Botschaft: Lasst es mit dem Content Marketing. Macht Hardcore technical SEO, AdWords & Co oder was auch immer. Aber keinen Content mit Fake-Mehrwert. Und betet, dass eure Mitbewerber genauso verschlossen bleiben. Offenheit fängt übrigens im Kleinen an:
8. Kunden? Welche Kunden?
Wenn ich Unternehmen bei der Blog- oder Content Strategie begleite, dann geht immer, immer immer die Zielgruppen-Diskussion von vorne los. Beim ersten Unternehmen dachte ich noch, „ziemlich unstrukturierter Haufen“. Beim zehnten war ich zumindest vorbereitet. Heute weiß ich: Diese Diskussion hat Strategie. Sie ist enorm wichtig und will in die richtigen Bahnen gelenkt werden.
Wenn du länger für ein und dasselbe Unternehmen bzw. Thema Content machst, dann denkst du irgenwann unterbewusst: „Ich weiß genau, wie der Hase läuft, was die da draußen hören und lesen wollen“. Pustekuchen! Nichts weiß ich und nichts weißt du. Erschreckend wenige Content ManagerInnen sind an ihren potenziellen Kunden nahe dran. Die Messlatte hierfür lautet:
- Du bewegst dich regelmäßig (!) vor Ort (!) in den Communities der Zielgruppen
- Du bist auch privat ein Teil der Community, oder hast zumindest Freude an dieser Arbeit
- Auf diese Weise verstehst du immer wieder aufs Neue, was jene antreibt und wirklich interessiert, für die du schreibst/sprichst oder filmst
Der beste Freund der Content Marketer ist in diesem Sinne der Support bzw. der Vertrieb/Außendienst. Du musst dort sein, wo es „weh tut“, wo du ungeschminktes Feedback erhältst. Aus dieser Zusammenarbeit entstehen die besten Content Ideen. Notfalls ließ dir das CRM durch.
9. Umsatz und Traffic als Luxusproblem
Content Marketing ist ein alter Hut. Und dennoch sind die Seminare zum Thema nach wie vor gut gefüllt. Warum? Viel zu viele Unternehmen hierzulande sehen überhaupt nicht die Notwendigkeit, sich online anzustrengen. Die Umsätze sind doch da. Der Messekatalog läuft (noch). Neue Kunden kann man gerade gar nicht abfangen, und Mitarbeiter sind eh Mangelware. Wer so denkt, der kommt erst, wenn die Kurven bei Google Analytics stetig nach unten gehen. Und das kann über Nach der Fall sein – dank immer feinerer Content Quality SERP-Updates.
Nicht wenige UnternehmerInnen sind schockiert, wenn sie sich ausrechnen lassen, wie viel Prozent des Umsatzes bereits von Online und Google abhängen – ob nun direkt oder indirekt. Onlinemarketer, die ihre Geschäftsführung im Unklaren darüber lassen, wie schnell eine hauptsächlich statische Webseite abstürzen kann, sind nicht ganz unschuldig an diesem blinden Fleck.
Hinzu kommt: Sogenannte Disruptive Geschäftsmodelle machen zusätzlich Druck. In vielen Branchen tauchen Newcomer auf, die von heute auf morgen an den etablierten Firmenwebseiten vorbeirutschen. Weil sie online täglich leben. StartUps machen in der Regel das beste Content Marketing – ohne „Maulkorb“ und mit wenig Budget. Das ist eine tickende Zeitbombe für die „Großen“.
10. Wir richten uns in der Komfortzone ein
Die wohl unbequemste Nachricht kommt zum Schluss. Mit „wir“ sind in diesem Fall wir Content MarketerInnen gemeint. Es hilft nichts, unsere Verantwortung an die Geschäftsführung abzugeben. An böse Andere, die das Content-Spiel einfach nicht verstehen wollen. Oder gar an abstrakte Updates bei Google, Facebook & Co.
Der Firmenauftritt im Netz sieht gruselig aus? Die Usability/Bedienbarkeit ist nicht existent? Den Firmenblog will niemand abonnieren? Botschaften auf Social bleiben ungehört? Entweder, unser Unternehmen hat die langweiligste Produktpalette der Welt, die wir selbst nicht nutzen würden. Oder aber wir sind selbst nicht mehr motiviert. In beiden Fällen müssen wir persönlich die Konsequenzen ziehen. Denn wer soll denn in einem Unternehmen glaubhaft für Inhalte trommeln, wenn nicht wir Content MarketerInnen? In diesem Sinne: Viel Erfolg und Freude beim Neu- und Durchstarten.
Welche der 10 Missverständnisse kennst du aus deinem Arbeitsalltag? Und wie löst du sie? Ich freue mich wie immer über deine Kommentare, am Ende des Beitrags.
Beitragsbilder: GillyBerlin, helloimnik_ , Andrik Langfield, Annie Spratt, Markus Spiske @Unsplash
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